Produkthaftung in den USA – Anschlag auf das World Trade Center

Wer Produkte in die USA exportiert, unterliegt dort der Produkthaftung, wenn das Produkt fehlerhaft ist und dadurch ein Schaden verursacht wird. Haftbar gemacht werden kann dabei grunsätzlich jeder Akteur in der Lieferkette. Der hier beschriebene Fall Port Authority of New York & New Jersey v. Arcadian Corp. wurde im Jahre 1999 entschieden und beschäftigt sich u. a. mit der Produkthaftungspflicht eines Düngemittelherstellers, dessen Produkt zur Herstellung einer Bombe zweckentfremdet wurde.

Am 26. Februar 1993 zündeten Terroristen eine Bombe in New York City unter dem damaligen World Trade Center. Dabei gab es sechs Tote und zahlreiche Verletzte. Die Bombe wurde hergestellt, indem verschiedene Düngemittel und andere Inhaltsstoffe miteinander vermischt wurden. Die Düngemittel waren einzeln in ihrer Rohstoffzusammensetzung nicht explosiv. Wurden sie jedoch untereinander mit bestimmten anderen Inhaltsstoffen kombiniert, so entstand daraus ein hochexplosives Gemisch.

Der damalige Eigentümer des World Trade Center verklagte die Hersteller der Düngemittel auf Schadensersatz aus Produkthaftung. Der Kläger behauptete, der Dünger sei fehlerhaft und daher unangemessen gefährlich gewesen. Die Beklagten hätten gewusst oder wissen müssen, dass das in den Düngemitteln enthaltene Ammoniumnitrat einfach in hochexplosiven Zündstoff umgewandelt werden konnte und hätten keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um die Düngemittel nichtexplosiv zu machen, wie beispielsweise durch die Zugabe von chemischen Inhaltsstoffen.

Der Kläger wies auf zwei frühere Vorfälle hin, nämlich eine Explosion von Ammoniumnitrat vor 50 Jahren, bei der zwei Schiffe im Hafen von Texas City zerstört worden und 468 Menschen ums Leben gekommen waren, und ein Sprengstoffattentat vor 30 Jahren, bei dem Protestierende Ammoniumnitrat benutzen und damit ein Forschungsgebäude der Universität von Wisconsin in die Luft gesprengt hatten. Das Bundesgericht für den Gerichtsbezirk des Bundesstaates New Jersey (United States District Court for the District of New Jersey) folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab.

Die Hersteller der einzelnen verbauten bzw. vermischten Einzelkomponenten konnten nicht für die Schäden haftbar gemacht werden, die durch das Endprodukt (die Bombe) verursacht worden waren. Die einzelnen Komponenten, so das Gericht, seien jede für sich einzeln betrachtet nicht fehlerhaft oder unangemessen gefährlich gewesen. Auch deren Missbrauch für kriminelle Zwecke sei für die Beklagten vernünftigerweise (zum damaligen Zeitpunkt) nicht vorhersehbar gewesen, da die Verwendung von Düngemittel als Sprengstoff eine gegenüber dem bestimmungsgemäßen Gebrauch ungeheuerliche Zweckentfremdung sei, mit der die Beklagten unter den gegebenen Umständen nicht gerechnet hatten oder hätten rechnen müssen.

Die wenigen vom Kläger zitierten Vorfälle lägen zeitlich zu weit zurück und seien daher obsolet und nicht öffentlich bekannt. Folglich seien sie nicht geeignet, seitens der Beklagten eine entsprechende Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis unterstellen zu können. Aus diesem Grunde verneinte das Gericht auch eine Pflicht der Beklagten, für Vorkehrungen für die Nichtexplosivität der Düngemittel Sorge tragen zu müssen. Das Gericht folgte im Wesentlichen der sogenannten component parts doctrine, wonach der Hersteller eines fehlerfreien Einzelteils, das in einem Endprodukt verbaut wird, grundsätzlich nicht für Schäden haftbar gemacht werden kann, die durch das Endprodukt verursacht werden.

Eine Haftung des Einzelteilherstellers besteht aber in der Regel dann, wenn dieser an der Entwicklung des Endproduktes beteiligt gewesen ist oder wenn bereits das Einzelteil fehlerhaft war bzw. feststeht, dass dieses den Schaden verursacht hat. Viele Gerichte sind bislang der component parts doctrine gefolgt. Sie wurde mittlerweile im Restatement (Third) of Torts: Products Liability (1997) § 5 kodifiziert. Die Restatements werden durch das American Law Institute herausgegeben und sind Abhandlungen, in denen das US-Fallrecht systematisiert worden ist. Sie haben keine Gesetzesqualität, werden aber von vielen US-Einzelstaaten als Vorlage für deren Gesetze bzw. von vielen Gerichten zur Entscheidungsfindung herangezogen.

Von Paul Scarcia-Scheel

Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar. Jeder Einzelfall muss unter Berücksichtigung der konkreten Umstände mit dem Mandanten persönlich erörtert werden. Trotz sorgfältiger Recherche wird für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte keine Haftung übernommen.    

Scarcia-Scheel Law Firm ist eine auf deutsch-amerikanische Rechtsfälle spezialisierte deutschsprachige Anwaltskanzlei mit Sitz in New York. Die Kanzlei ist hauptsächlich im deutsch-amerikanischen Wirtschaftsrecht, US-Visumsrecht, US-Staatsangehörigkeitsrecht und deutsch-amerikanischen Erbrecht tätig. Falls Sie bei Ihren deutsch-amerikanischen Rechtsfragen Unterstützung benötigen, steht Ihnen Scarcia-Scheel Law Firm gerne zur Verfügung.

Produkthaftung in den USA